Das Argumentationstraining gegen rechte Parolen

wurde als Format vom Verein gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. entwickelt. Mithilfe eines fein ausgearbeiteten Trainings lernen junge Menschen, mit dem Gegenüber im Gespräch zu bleiben, zu widersprechen, "NEIN" zu sagen - im Fall  von Diskriminierung, von Mobbing, von Rassismus, aber auch von Rechtsextremismus. Die Vokabeln "rechte Parolen" stehen sinnbildlich auch für gleichbedeutende Begriffe wie "diskriminierende Vorurteile" oder "menschenfeindliche  Äusserungen".

 

Das Training basiert auf dem Peer-to-Peer-Prinzip: Dem 1-tägigen BASISTRAINING kann auf Wunsch für interessierte Jugendliche eine Ausbildung zum PEER-COACH  (2 Tage) folgen.

 

Das Basistraining

Der Einstieg

Die Teilnehmenden lernen sich über Partnerinterviews kennen, üben vor dem Plenum, spontan und ohne lange Vorbereitungszeit den /die PartnerIn vorzustellen - so, dass er der Gruppe in positiver Erinnerung bleibt. So bauen alle Vertrauen und Empathie zu - und füreinander auf und tragen zu einer wertschätzenden und geschützten Atmosphäre bei. Das Programm des Basistrainings wird vorgestellt und die Erwartungen und Wünsche der Teilnehmenden gehört.

THEMATISCHE EINFÜHRUNG und SENSIBILISIERUNG

Welches Bild habe ich von einer Ärztin? Welches von einem Banker? Einer Lehrerin? Einem Flüchtling?

....... Menschliches Verhalten ist in hohem Masse geprägt davon, welche Eigenschaften wir den Menschen (oft unbewusst)  zuordnen, denen wir begegnen.

So funktionieren wir: Unsere Vorstellungen sind von bestimmten Rollenbildern und Vorurteilen geprägt und - leider - selten genug - hinterfragt. Mithilfe eines "Aufkleberspiels" vermögen TeilnehmerInnen aus der eigenen in eine andere Rolle schlüpfen ("Rockstar", "Obachlose", ....) - die sie allerdings nicht kennen. An den Reaktionen ihrer Mitmenschen (hier die MitschülerInnen) sind jedoch die Verhaltensmuster klar, die von ihnen erwartet werden als zB Obdachloser ....

Die zentralen Fragen werden in einer abschliessenden Auswertungsrunde besprochen: Wie sieht mich der/die andere in meiner Rolle? Wie sehe ich mich selbst dadurch? Wie wird unsere Kommunikation dadurch beeinflusst? Ziel dieser Übungen ist es, Wirkungen und Folgen von Vorurteilen heraus zu schälen und zu für die dahinter versteckten Mechanismen zu sensibilisieren.

Anschliessend soll es darum gehen, aktuell brisante Vorurteile zu von Vorurteilen besonders betroffenen Gruppen zu finden, diese zu analysieren und zu hinterfragen.

Entscheidende Leitfrage hierbei ist: Ist jedes Vorurteil eine Diskriminierung?

HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN

Strategien im Umgang mit diskriminierenden Parolen kennen zu lernen, sie mithilfe von Rollenspielen und praktischen Aufgaben einüben und reflektieren, ist hier das Ziel.

Die Teilnehmenden erleben, wie sich Scheitern anfühlt im Versuch, sachlich gegen rechte Parolen zu überzeugen in oft hochemotionalen Gesprächen. Das mag zunächst ernüchtern, ist aber Absicht. Denn: Andere, neue Strategien müssen her. Sich von den diskriminierenden Parolen abzugrenzen, ist ein Weg - das klare STOPP-Signal.

Man zeigt, dass für einen selbst die Grenze des Tolerablen erreicht ist. Was aber, wenn nun das Gegenüber ein Familienmitglied ist oder ein Mensch, mit dem man in Kontakt bleiben will? Das Formulieren von ICH-Botschaften bietet hier die Chance, sich abzugrenzen ohne das Gegenüber zu verletzen. So ist die Option, das Gespräch trotz Abgrenzung weiter zu führen, gegeben. Die TeilnehmerInnen lernen hierbei die Regeln des konstruktives Feedbacks. Eine Nachricht enthält immer viele Botschaften zu gleicher Zeit: Konfrontiert mit diskriminierenden Aussagen gilt es, die eigentliche Botschaft hinter einer Parole zu entschlüsseln.

Die Frage muss also heissen: Worum geht es meinem Gegenüber eigentlich? Dieses Erkennen ist die nächste Übung: Die Teilnehmenden lernen, Aussagen auf ihre sachlichen wie auch emotionalen Anteile hin zu untersuchen und üben in Rollenspielen (zB "Kneipenspiel"), sich in einer Diskussion zu behaupten. Dabei erfahren sie auch, wie es sich anfühlt, Körpersprache bewusst einzusetzen und Koalitionen zu bilden. Danach gibt es abschliessend Raum, eigene Strategien zu kreieren, eigene mögliche Antwortsätze zu schöpfen, neue Ideen zu entwickeln und diese in der Gruppe zu üben/besprechen.

ERGEBNISSE und DOKUMENTATION

Alle Strategien werden am Ende des Workshops (wie auch laufend während des Tages) visualisiert auf einem grossen Strategiebild - zusammengefasst. Dies wird im Laufe des Tages als Hilfestellung benutzt und es wird deutlich, dass es keine Patentlösungen gibt. Immer und zu jeder Zeit hängt Reaktion und Aktion von den involvierten Menschen in der jeweiligen Situation ab, von dem Ort und von einem selbst. Es ist besonders wichtig, dass die TeilnehmerInnen am Ende des Workshops das Gefühl bekommen haben, einige Methoden trainiert und sich selbst besser kennengelernt zu haben. So ermöglicht ihnen das Basistraining ein selbstbewussteres Handeln und Reagieren in Situationen, in denen sie mit diskriminierenden Parolen konfrontiert werden.

 

Die Peer-Coach-Ausbildung

Jugendliche, die das Basistraining absolviert haben und Interesse zeigen, das Gelernte ihren MitschülerInnen weiter zu vermitteln, werden zu sog. Peercoaches ausgebildet.

 

Die Befähigung, das Argumentationstraining als Peertraining anderen anzubieten, erhalten die Jugendlichen, indem sie

- die Inhalte des Argumentationstrainings vertiefen und reflektieren sowie

- durch Vermittlung von pädagogischem Basishandwerkszeug.

Der Einstieg

Die Teilnehmenden lernen sich noch besser kennen, um in einer wertschätzenden und geschützten Atmosphäre weiter arbeiten zu können. Zudem kommt der Prozess der Teambildung voran. Erwartungen und Bedürfnisse sollen aus der Gruppe heraus geäussert werden, um die kommenden Inhalte besser auf die Gruppe abstimmen zu können.

Vertiefung und Reflexion der Trainingsinhalte

Im zweiten Teil geht es um die Auseinandersetzung mit Vorurteilen und Diskriminierung. Ziel ist die Sichtbarmachung von Kategorisierungen der Menschen in Gruppen. Im Basistraining werden beispielsweise bereits beim Sammeln von Vorurteilen ganz bewusst die Mechanismen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit herausgearbeitet.

 

In der Peercoach-Ausbildung wird die Problematik einer solchen Denke vertieft erarbeitet, um die Gefahr darin zu erkennen, Menschen auf eine ihnen zugeschriebene Gruppenidentität zu reduzieren. Die Peercoaches werden sensibilisiert, indem sie sich mit der Vielfalt ihrer eigenen Identität beschäftigen, sich ihrer bewusst werden. Sicherheit im Umgang mit den Trainingsinhalten gewinnen die Teilnehmenden weiter, indem einzelne Bausteine des Basistrainings mit der Methode eines Gallery- Walks noch einmal genau besprochen und Fragen beantwortet werden.

Fit für die Praxis

Dieser dritte Teil dient der Vorbereitung der Peercoaches auf schwierige Situationen in Gruppen. Wie können sie richtig reagieren und sich kritisch mit der eigenen Rolle auseinandersetzen? Wir sammeln an dieser Stelle in Einzelarbeit Kategorien, die ein "idealer" Peercoach mitbringen sollte (beispielsweise: offen und interessiert sein, sicher auftreten, ..... ). In der Grossgruppe relativieren wir das entstandene "Ideal -" Bild eines Peercoach: Die Aufgabe besteht nämlich nicht darin, auf jede Frage eine richtige Antwort parat zu haben und durchweg souverän sein zu können. Peercoaches werden vielmehr begleitet, indem sie Anregungen von der Leitung bekommen, zum Nachdenken angeregt werden und selbst nach Lösungen suchen sollen. Dadurch gewinnen Peercoaches mehr Klarheit und Sicherheit. Spontan auf Situationen reagieren zu können und flexibel zu sein sind Fähigkeiten, die es zu trainieren gilt:

 

Was mache ich, wenn

 

- es in einer Gruppe zu einem Streit kommt?

- sich jemand diskriminiert fühlt?

- wenn in meiner Gruppe Personen rechtsextremes Gedankengut äussern?

 

Diese und andere Fragen beschäftigen die Jugendlichen, tauchen in den Workshoptagen erfahrungsgemäss immer wieder auf. Sie genau darauf vorzubereiten mit unterschiedlichen Methoden, ist der Abschluss dieses dritten Teils.

Abschluss und Ergebnissicherung

Feedback bildet den Abschluss der Peercoach-Ausbildung. Es werden Rückmeldungen zu

- Themen und Inhalten

- Atmosphäre in der Gruppe

- persönlicher Lernerfolg

- organisatorische Rahmenbedingungen

eingeholt.

 

Alle Materialien und Anlagen werden den Teilnehmenden zur Nachbereitung zum Teil über eine Fotodokumentation zur Verfügung gestellt.

Hinweise zur praktischen Umsetzung beider Trainingsangebote

Zeitlicher Rahmen:

 

Zwei Schultage à jeweils 7 - 8 Schulstunden (zum Beispiel 8 - 15 Uhr inkl. Pausen)

Gruppengrösse: 8 - 15 Personen

Alter der Teilnehmenden: 9. - 12. Jahrgangsstufe (14 - 19 Jahre)

 

Empfehlung zur Gruppenzusammensetzung:

 

In festen Gruppen wie sie Klassengemeinschaften in der Regel darstellen, haben sich Eigendynamiken verfestigt.

 

Für die Atmosphäre und den Erfolg des Trainings ist es daher aus unserer Sicht förderlich un dnotwendig, mit gemischten Gruppen zu arbeiten. Daher bietet es sich für Gruppen im schulischem Kontext an, das Basistraining nicht mit einer ganzen Klasse - verpflichtend- durchzuführen!

 

Besser ist es, ein freiwilliges Angebot für SchülerInnen eines Jahrgangs /oder neue Gruppen aus einer Klassenstufe beispielsweise im Rahmen einer Projektwoche oder ähnlichen schulischen Veranstaltungen zu bieten.

 

Technische Voraussetzung:

 

- 2 - 3 Stellwände mit Flipchart- Blättern

 

- ein Flipchart

 

- ca 15 Flipchart-Stifte

 

- ein Moderationskoffer

 

- gegebenenfalls Beamer plus Leinwand

Wichtiger Hinweis

Jugendliche brauchen bei sensiblen Themen wie Diskriminierung und Vorurteilen einen Schutzraum- es  geht immer auch um ihre eigene Person.

Das ist ein Erfahrungswert.

 

Wenn die für sie direkt zuständigen Lehrerinnen und Lehrer während des Trainings nicht anwesend sind, ist der Schutzraum am besten gewährleistet. Schülerinnen und Schüler empfinden sich selbst als Handelnde in einem Bewertungsraum im Falle der Anwesenheit von Lehrenden, das zeigen die Aussagen bei den Feedbacks gegen Ende der Workshops der letzten Jahre.

 

Wenn Lehrende das Training in ihrer eigenen Schule durchführen wollen, empfiehlt es sich, nicht mit den eigenen Klasse zu arbeiten.

 

Gleichwohl ist ihre Miteinbeziehung im Vorfeld als auch bei der Durchführung und Nachbereitung von grosser Bedeutung: Enge Absprachen im Vorfeld, detaillierte Einführung in das Training und eine gemeinsame Auswertung zwischen den Lehrenden, evtl der Schulleitung sowie den Workshop-Verantwortlichen sind erwünscht und im Falle einer Verankerung des Trainings unersetzlich.